Leitlinien für eine liberale Religionspolitik

Für die Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe sind aufklärerische Werte wie
Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Individualismus, die Trennung von Staat und
Kirche und die Freiheit von Forschung und Lehre oberste Maximen, an denen wir
unsere politische Arbeit ausrichten. Eingriffe in diese Grundrechte können nur
mit einer gewichtigen Begründung und innerhalb enger Schranken durchgeführt
werden.

Religionspolitik muss das Verhältnis der positiven Religionsfreiheit
sorgfältig mit anderen Grundrechten, wie insbesondere der negativen
Religionsfreiheit, austarieren. Im Folgenden stellen die Jungen Liberalen
Ostwestfalen-Lippe Leitlinien für eine liberale Religionspolitik auf, um
ebendies zu erreichen.

1. Religiöse Symbolik im öffentlichen Raum

Eine Art des Auslebens von Religion ist das Tragen spezifischer Kleidungs- oder
Schmuckstücke, wie zum Beispiel ein Kopftuch, eine Kippa oder eine Kreuzkette.
Die Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe bekennen sich zum Recht jedes einzelnen,
über seine Kleidung selbstbestimmt verfügen zu können. Pauschale
Kleidungsvorschriften, wie ein Vollverschleierungsverbot, lehnen die Jungen
Liberalen in der Regel ab. Sie erkennen allerdings an, dass ein
Vollverschleierungsverbot an Orten, die konstitutiv auf persönlichen Kontakt
angewiesen sind – wie zum Beispiel in Gerichten und an Hochschulen -, Sinn
ergeben kann und auf gesetzlicher Grundlage durchzusetzen ist.

Das Recht, frei über die eigene Kleidung zu verfügen, muss jedoch auch in die
Richtung der negativen Religionsfreiheit sichergestellt werden. Es ist nicht
abzustreiten, dass religiöse Kleidung nicht von jedem und jeder aus freiem
Willen getragen wird. Insbesondere Kinder und Frauen werden teilweise gegen
ihren Willen zum Tragen religiöser Kleidung genötigt. Deswegen fordern wir
gezielte Angebote für Kinder und Jugendliche, die sie über ihre Rechte
aufklären und Unterstützung gegen jegliche Art der Unterdrückung anbieten.
Die Jungen Liberalen fordern einen Ausbau an Aufklärungsmaßnahmen für Männer
und Frauen jeden Alters, mit besonderem Fokus auf Kinder und Jugendliche
. Damit
wird das Problem der Unterdrückung von Frauen ernsthaft bekämpft anstatt
Symbolpolitik zu betreiben.

Bürger im öffentlichen Dienst handeln im Auftrag des Staates und sind somit
der Neutralitätspflicht unterworfen. Da Deutschland ein weltanschaulich
neutraler Staat ist, fordern die Jungen Liberalen ein Verbot von
weltanschaulichen Symbolen für Beamte und Personen im öffentlichen Dienst
,
wenn die betreffenden Personen in Kontakt zu Bürgern stehen.

Damit einhergehend fordern die Jungen Liberalen ein Verbot von staatlich
verordneten weltanschaulichen Symbolen in Schulen und anderen staatlichen
Einrichtungen, wie zum Beispiel aufgehängte Kreuze.

2. Religion in der Schule

Aufgrund der Neutralitätspflicht des Staates muss der Staat die
Religionsfreiheit für jede Religionsgemeinschaft gleichermaßen sicherstellen.
Genauso muss der Staat auch die sogenannte negative Religionsfreiheit, die
Freiheit von Religion, sicherstellen. Gerade Kinder und Jugendliche werden von
ihren Eltern stark beeinflusst, was eine freie Meinungsbildung erschwert.

Damit Kinder und Jugendliche die Religionsmündigkeit erreichen, müssen sie
neutral über Religion aufgeklärt werden. Wir Jungen Liberalen Ostwestfalen-
Lippe sind der Ansicht, dass der richtige Ort für diese Art der Aufklärung die
Schule ist. Da diese Aufklärung so neutral wie möglich sein muss, fordern die
Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe die Ersetzung des konfessionellen
Religionsunterrichts durch einen Ethikunterricht
, in dem grundlegende
philosophische Konzepte besprochen werden. In diesem Unterricht ist sowohl Platz
für eine neutrale Betrachtung einzelner Religionen als auch für eine objektive
Betrachtung des Phänomens „Religion“ an sich, sowie die Erörterung
weiterer philosophischer Fragestellungen. Dafür ist eine Änderung des Art. 7
III. GG erforderlich. Solange diese Grundgesetzänderung noch nicht umgesetzt
ist, fordern die Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe die Umsetzung des
überkonfessionellen Religionsunterrichtes an nordrhein-westfälischen Schulen.
Das Bildungsministerium soll bestehende Anstrengungen verstärken und noch
umfassender und insbesondere flächendeckend gemeinsam mit
Religionsgemeinschaften die Rahmenbedingungen für einen solchen Unterricht nach
dem Vorbild Hamburgs festlegen.

Die Religionszugehörigkeit von Schülern oder deren Eltern darf keinen Einfluss
auf die besuchten Schulfächer nehmen. Die Bildung des Kindes darf nicht aus
religiösen Gründen in Gefahr gebracht werden. Deswegen begrüßen die Jungen
Liberalen Ostwestfalen-Lippe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts,
dass religiöse Kleidungsvorschriften keine Rechtfertigung für eine Befreiung
vom Sportunterricht sind.

3. Sonderrechtsstellung kirchlicher Träger

Außerdem fordern die Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe die Abschaffung von
Sonderrechten für kirchliche oder andere freie Träger,
 wie beispielsweise
eigene Tarifverträge oder Arbeitsrechtsbestimmungen, sofern die Einrichtungen
unter dieser Trägerschaft nicht zu einem überwiegenden Teil (mindestens 51
Prozent Anteilseigentum) von den Trägern finanziert werden. Es kann nicht der
Anspruch einer liberalen Gesellschaft und Politik sein, dass sowohl Mitarbeiter
als auch Nutzer dieser Einrichtungen von einem Arbeitgeber eingeschränkt werden
können, wenn der Großteil der Finanzierung von der Öffentlichkeit getragen
wird. Wir fordern daher die rechtliche und tarifliche Gleichstellung der
Einrichtungen unter kirchlicher oder gemeinnütziger Trägerschaft, sofern die
Finanzierung dieser Einrichtungen nicht zu einer Mehrheit von den Trägern
geleistet wird. Für faktisch öffentliche Einrichtungen muss auch öffentliches
Recht gelten.

4. Diskriminierung aufgrund von Religion

Wir begrüßen die Entscheidung des EuGH, die es Weltanschauungsgemeinschaften
verbietet, aufgrund von Religion pauschal zu diskriminieren.
Konfessionszugehörigkeit sollte nur verlangt werden können, wenn es objektiv
geboten ist, wie zum Beispiel bei Priestern.

5. Administrative Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften

Durch die Anerkennung von Religionsgemeinschaften als Körperschaft öffentlichen
Rechts vermischen sich administrative Tätigkeiten des Staates und der Kirchen.
Um Staat und Kirche auch im administrativen Bereich zu trennen, fordern die
Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe die Überführung von Religionsgemeinschaften
von Institutionen des öffentlichen Rechts zu privatrechtlichen Institutionen,
wie beispielsweise gemeinnützigen Vereinen. Dadurch entfällt unter anderem die
Pflicht des Staates, die sogenannte Kirchensteuer sowie Kirchenaustrittsgebühren
erheben zu müssen. Darüber hinaus fordern die Jungen Liberalen Ostwestfalen-
Lippe, dass sich das Land Nordrhein-Westfalen mit der katholischen Kirche auf
ein Ende des Staatskirchenvertrags verständigt. Es sollen keine neuen
Staatskirchenverträge abgeschlossen werden. Die Jungen Liberalen Ostwestfalen-
Lippe fordern eine Bundesratsinitiative, um eine Ablöseregelung für
Staatsleistungen zu erreichen, wie im Grundgesetz vorgesehen. Darüber hinaus
fordern sie, dass staatliche Entscheidungen – etwa in Bezug auf Asylanträge –
auch gegenüber Kirchen ausnahmslos durchgesetzt werden.

6. Körperliche Unversehrtheit

Die körperliche Unversehrtheit von Kindern darf unter keinen Umständen für
religiöse oder kultu-relle Zwecke in Gefahr gebracht werden. Deswegen fordern
die Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe ein Verbot für jede Art permanenter
Veränderungen der Körper von Kindern
 aus religiösen oder kulturellen
Gründen. Ab Eintritt der Religionsmündigkeit sollen Minderjährige über
permanente Veränderungen ihres Körpers selbstbestimmt entscheiden können.

7. Gotteslästerung

Die Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe fordern die Abschaffung des §166 StGB
(Gotteslästerung). Persönliche Beleidigungen können im Rahmen der Ehrdelikte
des StGB zur Anzeige gebracht werden. Es gibt keinen Bedarf für eine Regelung
für die Beschimpfung von „Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und
Weltanschauungsvereinigungen“.

8. Sonderrechte im Rundfunk

Kirchen sind in vielen Rundfunkräten im Gegensatz zu anderen
Weltanschauungsgemeinschaften übermäßig stark vertreten. Außerdem haben
Kirchen das Anrecht auf kostenlose Sendezeit im öffentlich-rechtlichen
Rundfunk. Die Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe fordern deswegen die
Abschaffung jeglicher Sonderrechte der Kirchen im öffentlichen Rundfunk und
eine Überprüfung mit eventueller Neubewertung der Sitzverteilung in nordrhein-
westfälischen Rundfunkräten,
 um die angemessene gesellschaftliche
Repräsentation zu gewährleisten.

9. Feiertage

Die Jungen Liberalen fordern als Konsequenz der Pluralisierung und
Säkularisierung der deutschen Gesellschaft eine Reform der Feiertagsgesetze der
Länder dahingehend, dass nicht mehr christliche, sondern vielmehr
gesellschaftlich relevante Tage die Mehrheit der gesetzlichen Feiertage
darstellen sollen.
So sind einerseits der Ostersonntag und die Weihnachtsfeiertage als Tage von
gesamtgesellschaftlicher Bedeutung beizubehalten, jedoch die weiteren religiösen
Feiertage aufgrund ihrer sinkenden Bedeutung für die Mehrheit der Bevölkerung
zugunsten von gesellschaftlichen Feiertagen zu ersetzen. Zu denken wäre in
diesem Zusammenhang z.B. an den 23. Mai als Tag des Grundgesetzes, den 27.
Januar als Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz oder den 9.
November als Tag des Falls der deutschen Geschichte. Zudem soll im Rahmen einer
allgemeinen Reform der deutschen Feiertage eine grundsätzliche Angleichung der
Anzahl der Feiertage in den verschiedenen Bundesländern erfolgen. Daneben
fordern die Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe eine ersatzlose Streichung des
Tanzverbotes
 an stillen Feiertagen.