Für eine Kultur des Wettbewerbs bei FDP und JuLis

Personalwahlen sind, bei den Freien Demokraten in einem höheren Ausmaß als bei den Jungen Liberalen, häufig keine basisdemokratischen Entscheidungen, sondern das Ergebnis von Vorbesprechungen. Delegierte bekommen eine Liste oder einen Wahlvorschlag vorgesetzt, die in den meisten Fällen ohne Einwände angenommen werden. Diese Unmündigkeit der Delegierten hat ihre Wurzel vor allem in zwei Gründen: Einem mangelnden Zugang zu Information sowie eine Kultur, die Wettbewerb nicht als positiven und wertvollen Streit für die beste Lösung, sondern als negativen Angriff auf eine Person sieht.

  1. Transparenz im Auswahlverfahren

Für einen Delegierten, der nicht Teil von höheren Vorständen ist, ist kaum nachvollziehbar, wie eine Liste zustande gekommen ist. Weiterhin sind vielen Delegierten die zur Wahl stehenden Personen teilweise kaum bekannt. Delegierte schließen sich in der Regel bei der Wahl den Vorstellungen/Empfehlungen/Vorgaben des Vorstands der nächsthöheren Ebene an. Diese Form der doppelten Delegation (Basismitglied -> Delegierte -> Vorstand) führt zu einer Konzentration der Macht bei Vorständen. Als Liberale, deren oberstes politisches Ziel die Dezentralisierung von Macht zur Vermeidung von Korruption ist, sind wir sehr besorgt über diesen Zustand.

Unser Ziel muss sein, die doppelte Delegation so weit wie möglich zu vermeiden. Dies kann durch einen einfacheren Zugang zu Information an die Delegierten erreicht werden. Unsere konkrete Forderungen in diesem Zusammenhang sind:

a: Die Einführung von Kandidatenhearings immer dort, wo Personalentscheidung gefällt werden. In der Regel führt die betreffende Ebene dieses Hearing selbst durch. Das Selbstverständnis der Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe ist es, der Wandel zu sein, den wir selbst vom Verband erwarten. Der Bezirksvorstand wird beauftragt,, zu jeder Personalwahl und zu jeder Nominierung auf der Ebene der Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe, ein transparentes Bewerbungsverfahren zu definieren und jedem einzelnen Mitglied die Möglichkeit zu geben, sich in einem angemessenen Umfang über die zur Wahl stehenden Personen zu informieren – zum Beispiel durch Kandidatenhearings. Weiterhin wird der Bezirksvorstand beauftragt, diese Form von Mitgliederbeteiligung auch bei der FDP Ostwestfalen-Lippe einzuführen. Solange die FDP Ostwestfalen-Lippe keine Kandidatenhearings durchführt, soll der Bezirksvorstand der Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe diese Aufgabe übernehmen.

b: Nominierungen sollten nur in außerordentlich besonderen Umständen in (erweiterten) Vorständen getroffen werden. Das normale Verfahren muss eine Nominierung auf einem Kongress bzw. Parteitag sein.

c: Für Bewerbungsverfahren um Listenplätze oder Parteiämter sollte es auf allen Ebenen Bewerbungsplattformen geben, auf denen Bewerber ihre Kandidatur ankündigen und über diese informieren können (zum Beispiel durch ein Bewerbungsschreiben oder -video). Kandidaten, die nicht zum Parteikern gehören, wird es so massiv erleichtert, erfolgreich zu kandidieren. Die FDP profitiert von Kandidaten, die von außerhalb des politischen Rahmens kandidieren.  Auf jener Plattform können Parteimitglieder Fragen stellen und Kandidaturen kritisch hinterfragen. Der FDP Landesverband sollte eine geeignete Plattform bereitstellen. Auch bei den Jungen Liberalen sollten entsprechende Plattformen ab Bezirksebene die Regel sein. So machen wir den Bewerbungsprozess transparenter.

d: Bei Personenwahlen auf jeder Ebene der Freien Demokraten muss es zur Regel werden, dass Kandidaten sich dem Parteitag durch eine Bewerbungsrede vorstellen. Dies gilt auch für Wiederwahlen. Des Weiteren wünschen wir uns eine Kultur, die es selbstverständlich macht, Fragen an Kandidaten zu stellen.

  1. Wettbewerb um die beste Lösung 

Sogenannte „Kampfkandidaturen“ haben, sowohl bei den Jungen Liberalen als auch bei den Freien Demokraten, einen schlechten Ruf. Solche Wettbewerbskandidaturen werden nicht als Wettbewerb um die beste Lösung wahrgenommen, sondern als persönliche Fehde zwischen den Kandidaten. Ein fairer Wettkampf, bei dem das Verlieren kein negatives Stigma hat, ist nicht der Normalfall. Verlierer von Kampfkandidaturen gelten als “verbrannt” und haben es schwerer, politisch wieder Fuß zu fassen.

Die Lösungsvorschläge in diesem Kapitel sind rein kultureller Natur. Sie können keine Bindungswirkung haben, sind jedoch eine Erklärung der Werte, die die Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe als Verband ausmachen.

Faire und offene Kampfkandidaturen sind kein persönlicher Angriff, sondern geben dem Kongress oder Parteitag eine Wahlmöglichkeit. Fair und offen in diesem Sinn ist für die Jungen Liberalen Folgendes:

a: Eine frühzeitige Ankündigung der Kandidatur. Spontanen Kandidaturen stehen die Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe, auch aus Gründen der Achtung vor dem Amt, kritisch gegenüber.

b: Das Aufzeigen von politischen Differenzen zwischen den Kandidaten. Das Hinweisen von vermeintlichen persönlichen Unzulänglichkeiten des Gegenkandidaten sind in diesem Kontext nicht sportlich. Grundsätzlich sollte Wahlkampf für sich selbst, nicht gegen den Gegenkandidaten gemacht werden.

c: Eine verlorene Kampfkandidatur ist kein politisches Todesurteil. Wir ermutigen ausdrücklich, sich weiterhin für Ämter zu bewerben.Die Entscheidung, wer die eigene Stimme bekommt, ist eine höchstpersönliche Entscheidung. Amtsträger können den Mitgliedern Für und Wider der Kandidaten erläutern, sollten sich aber im Allgemeinen neutral verhalten. Ablehnung sollte, mit Angabe der Begründung, dem Kandidaten im Vorfeld kommuniziert werden.

d: In der Regel werden bei Wahlen Personen per Vorschlag gewählt. Hierbei appellieren wir an Personen in höheren Vorstandsämter, Vorschläge selbst zurückhaltend zu äußern. Die Vorschläge dieser Personen können Mitglieder nachgiebig in ihrer Entscheidung beeinflussen. Darüber hinaus begrüßen wir es, wenn sich Kandidaten bei einer Personenwahl selbst vorschlagen.

Wer gegen eine Frauenquote ist, muss auch gegen eine Regionalquote sein. Proporzdenken ist ein Hemmnis für Wettbewerb. Das oberste Kriterium für die Wahl von Kandidaten muss die politische und charakterliche Eignung des Kandidaten sein.

Grundsätzliches:

Innerhalb der FDP ist es auf allen Ebenen Status Quo, dass Parteiamt und öffentliches Mandat in der Regel nicht getrennt sind, sondern in Personalunion ausgeführt werden. Hierdurch ergeben sich zwangsläufig Interessenkonflikte, die einer wettbewerblichen Kultur widersprechen und nicht zum Nutzen der Partei sind. Insbesondere bei Kreis-, Bezirks-, Landes- und Bundesvorsitzenden – die mindestens mittelfristig weiterhin – an Listenverhandlungen beteiligt sind, ist eine Vereinigung von Abgeordnetenmandat und Parteiamt im Regelfall zu vermeiden. Innerhalb der Freien Demokraten sollte daher ein signifikanter Teil der Vorstände aus Ehrenamtlern bestehen. Bei den Jungen Liberalen sollte es weiterhin selbstverständlich sein, dass ein öffentliches Mandat ab Landesebene eine JuLi-Funktion ausschließt.

Aus den oben genannten Gründen ist es auch wünschenswert, dass typische “Parteikarrieren” – von der Anstellung bei einem Abgeordneten oder Parteiorgan bis zum eigenen Mandat – langfristig eine Ausnahme statt Regel werden. Dadurch dynamisieren wir Parteistrukturen und machen es für einen weitaus größeren Kreis an Talenten möglich, erfolgreich Verantwortung für die Freien Demokraten zu übernehmen.

Viele Junge Liberale arbeiten neben ihrem ehrenamtlichen Engagement bei einem Abgeordneten. Hierbei können Interessenkonflikte entstehen, die schädlich für den internen Parteiwettbewerb sind. Daher gilt es für Beschäftigte und Arbeitgeber hier höchst sensibel zu sein.

Langfristig sollten wir den Weg, wie wir Listen für öffentliche Wahlen bei der FDP aufstellen, neu denken. Hierbei sollten wir viele Möglichkeiten in Betracht ziehen. Zum Beispiel können hier Systeme erörtert werden, bei denen “Urabstimmungen” / Sammelwahlen auch schon bei Listenaufstellungen auf niedrigster Ebene durchgeführt werden. In diesem Diskussionsprozess sollten Wettbewerb, Transparenz und breite Mitgliederbeteiligung die Leitplanken sein.

Aufgrund einer angestrebten Trennung von Abgeordnetenmandat und dem Landes- beziehungsweise Bundesvorsitz der FDP-Bundes– und Landtagsfraktion setzen sich die Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel für eine angemessene finanzielle Entschädigung für eine/n FDP-Landes- und Bundesvorsitzende/n ohne Abgeordnetenmandat ein. Die Jungen Liberalen Ostwestfalen-Lippe sind sich der finanziellen Lage der FDP-Landespartei bewusst, sehen aber in einem Landesvorsitzenden/einer Landesvorsitzenden und einem Generalsekretär mit einem wirklichen Arbeitsschwerpunkt auf dem (auch finanziellen) Zustand der Landespartei eine Chance für eine neue Professionalität und auch wirtschaftlich bessere Stellung für die FDP NRW.